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Vollgas im Rückwärtsgang (eigener Kommentar)

Während Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer noch mit Ausbaugeschenken für Bahn und Straße um sich wirft, schauen einzelne Parlamentarier und kritische Bürger einmal hinter die rosarote Versprechens-Brille. Nicht erst in Zeiten klammer Kassen und überzogener Haushalte stellt sich die Frage nach der Finanzierbarkeit geplanter Projekte. Woher kommt also das Geld für Ramsauers Mega-Verkehrsoffensive, in deren Rahmen u.a. Regionen wie der Chiemgau mit einem flächendeckenden Betonnetz zur Transitregion umgerüstet werden sollen? 

Diese Frage nach der Finanzierbarkeit stellte diese Woche der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Dr. Toni Hofreiter, dem Bundesverkehrsministerium, u.a. in Bezug auf den Ausbau der Bahnstrecke München - Mühldorf - Freilassing. Diesen Ausbau hatte Ramsauer bei einer Veranstaltung im Dezember in Traunstein noch fest zugesagt.

Anlass von Hofreiters Nachfrage war das Gerücht, es gäbe bei der Deutschen Bahn bereits eine "Streichungsliste" für den Schienenausbau nach dem Prinzip: "Ramsauer verschenkt, die Bahn sammelt hinter ihm alles wieder ein." Auf Hofreiters Anfrage hin erklärte das Bundesverkehrsministerium nun erstmals, dass für die bis 2020 geplanten und fest disponierten Schienenausbauprojekte bislang rund 9 Mrd. Euro fehlen. 

Hinzukommt eine Finanzierungslücke von etwa 14 Mrd. Euro für so genannte "Projekte im vordringlichen Bedarf". In Summe ergibt sich also eine vom Ministerium bestätigte Finanzierungslücke für den Schienenausbau in Höhe von 23 Mrd. Euro. Zum Verständnis: 23 Mrd. Euro - dies ist mehr als das Sechsfache der Summe, die die bayerischen Steuerzahler derzeit noch für den finanziellen Super-GAU "Hypo Alpe Adria" abstottern müssen.

Als wäre die 23-Mrd.-Euro-Lücke noch nicht genug, bringt Hofreiter noch ein weiteres pikantes Detail ans Tageslicht: Ramsauer wußte bereits seit Dezember von der Finanzierungslücke. In einem Gespräch mit dem Chef der Deutschen Bahn, Grube, das noch vor der Veranstaltung in Traunstein stattfand, erläutert Grube, welche Projekte derzeit nicht finanzierbar seien. Darunter fiel auch der Ausbau der Bahnstrecke München - Mühldorf - Freilassing, dessen Umsetzung Ramsauer Tage später dennoch in Traunstein versprach. Hofreiter belegt diesen Sachverhalt durch Gesprächsunterlagen des Ramsauer-Grube-Termins, die ihm vorliegen. 

 

Was ist nur los im Bundesverkehrsministerium? Münchhausensyndrom? Oder sogar Schizophrenie? Hier bleibt viel Platz für Spekulationen, die bei näherer Betrachtung so abwegig gar nicht sind. Das zeigt auch das Beispiel "Autobahnausbau A8": Trotz Mega-Lücke für die Schienenfinanzierung hält Ramsauer an dem überdimensionierten Totalausbau der A8 zwischen Rosenheim und der Landesgrenze bei Salzburg weiter fest. Und das, obwohl er selbst schon lange die Verlagerung des Verkehrs von Straße zu Schiene öffentlich propagiert. Es wäre daher nur logisch, die Milliarden, die für den Autobahnausbau geplant sind, umzuplanen und für den Ausbau der Schiene zu verwenden. Hierfür sprächen zahlreiche Argumente, alleine das Thema "Lärmschäden durch Autobahnausbau" ist eines davon. Ein tatsächlich wirksamer Lärmschutz im Zuge des Totalausbaus auf der A8 ist nämlich mit dem gesetzlich geregelten 

Lärmschutzmaßnahmen nicht möglich. Es müssten somit weitere Lärmschutzmaßen vom Bund und den Kommunen auf freiwilliger Basis finanziert werden, um den Chiemgau wirksam vor Lärm und seinen Folgen zu schützen. Die Kosten für einen wirksamen Lärmschutz gehen in die Millionen. Dass Ramsauers Ministerium bei ohnehin leerer Kasse und riesigen Finanzierungslücken solche freiwilligen Maßnahmen ergreifen wird ist mehr als zweifelhaft. Mehr noch: Ramsauer wirbt mit dem Argument des Lärmschutzes weiter für den Totalausbau der A8, anstatt insgesamt auf die zukunftsfähige Alternative Schiene zu setzen.

 

Leider ist es fraglich, ob Ramsauer statt mit Vollgas im Rückwärtsgang demnächst endlich mit voller Kraft in eine tragfähige und nachhaltige Zukunftsplanung für alle Bürger starten wird. Zu wünschen wäre ihm ein solcher Richtungswechsel jedenfalls sehr: Berechnungen zufolge ist bei einem Porsche eine Beschleunigung auf über 100 Km/h im Rückwärtsgang problemlos möglich. Findet Ramsauer nicht bald den Vorwärtsgang, könnte auch mit ministeriellem Rund-um-Airbag der Aufprall für den bekennenden Porsche-Fan Ramsauer mehr als schmerzhaft sein.

 

Weitere Informationen zum Thema (externe Links):

Zahlen und Fakten der "Allianz pro Schiene"

Pressemitteilung von Dr. Toni Hofreiter zur seiner Anfrage an das Bundesverkehrsministerium, 25.01.2009

 

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