Der Bundesverkehrswegeplan 2015 - eine neue Chance für die vernünftige 4-plus2-Variante der Bürgerinitiative

Sehr geehrter Herr Dr. Haßheider,
erlauben Sie uns, dass wir heute Sie als Verantwortlichen für die Bundesverkehrswegeplanung und die Investitionspolitik des Bundesautobahnnetzes ansprechen – und an Sie appellieren, den geplanten Maximalausbau der A8-Ost grundsätzlich zur Disposition zu stellen.

Angesichts zunehmend beengter Finanzierungsspielräume und sich ändernder Prioritäten wäre es aus unserer Sicht unverantwortlich, die bisherigen Pläne weiterhin als „alternativlos“ zu verfolgen. Allein der Verzicht auf den Ausbau der 11 km langen Strecke entlang des Chiemsees, die bereits seit dem Jahr 2000 über Standstreifen verfügt, könnte einen Betrag von mindestens 150 Mio. Euro einsparen. Durch einen maßvollen 4+2-Ausbau ließen sich insgesamt erhebliche Kostenreduzierungen erzielen, denn ein sechsstreifiger Maximalausbau bedeutet „deutlich höhere Investitions- und Unterhaltskosten, höhere Kosten für Ausgleichsmaßnahmen sowie deutlich höhere Kosten für einen effektiven und wirksamen Lärmschutz“ (siehe Gutachten von Dr. Hunger).

Unsere Bürgerinitiative „Ausbau A8 – Bürger setzen Grenzen“ ist der Überzeugung, dass ein Ausbau der A8 in der höchsten Entwurfsklasse 1 aus folgenden Gründen abzulehnen ist:

Inakzeptable Kostensteigerungen

War man 2008/09 noch von 135 Mio. Euro für die ersten beiden ca. 16 km langen Autobahnabschnitte ausgegangen, so waren es 2011 – nach Abschluss des so genannten A8-Planungsdialogs – bereits 187 Mio. Euro. Aktuelle Kostenschätzungen liegen bei rund 300 Mio. Euro (laut ABDSB vom Januar 2013). Da derzeit noch kein Planfeststellungsverfahren eingeleitet wurde, sind weitere deutliche Kostensteigerungen zu erwarten.

Unserer Ansicht nach ist deshalb eine Neuberechnung des NKV unabdingbar – ein Anliegen, das wir in den kommenden Wochen und Monaten mit Nachdruck vertreten werden. Die regelmäßige Unterschätzung der Kosten und Übertreibung des Nutzens solcher Projekte ist nicht akzeptabel.

Zu viele Ein- und Ausfahrten geplant

Bei einem Maximalausbau wären auf einer Strecke von 60 km  allein 14 Ein- und Ausfahrten vorgesehen. Dies widerspricht zum einen den Anforderungen der Entwurfsklasse 1, die einen Mindestabstand von sechs km zwischen den Ein- und Ausfahrten vorschreibt, zum anderen sind ohne eine Geschwindigkeitsregulierung gravierende Störungen des Verkehrsflusses vorprogrammiert. Daher halten wir einen 4+2-Ausbau in Verbindung mit einer kontrollierten  Geschwindigkeitsbeschränkung für vollkommen ausreichend.

Verkehrsprognosen rechtfertigen keinen Maximalausbau

Ein Maximalausbau wäre erst ab einem DTV von 68.000-70.000 Fahrzeugen notwendig – laut

Prof. Kurzak treten solche Spitzenbelastungen hauptsächlich zu Ferien- und Wochenendzeiten, laut Dr. Hunger nur an circa 30 Tagen im Jahr auf. Somit würde die A8 ab Rohrdorf völlig überdimensioniert ausgebaut.

Mittels Tempolimit und Verkehrsleitanlagen könnte auch der etwas stärker belastete Abschnitt von Rosenheim bis Rohrdorf bei einem 4+2-Ausbau Spitzenbelastungen bewältigen. Damit würde sich auch die Beeinträchtigung durch den Güterverkehr in akzeptablen Grenzen halten, da eine Staugefahr hauptsächlich nur an (Ferien-)Wochenenden besteht.

Maximalausbau nicht alternativlos

Ein Maximalausbau der A8 ist nicht alternativlos. In den „Richtlinien für die Anlage von Straßen“ heißt es dazu, dass „trotz des allgemein angestrebten hohen Ausbaustandards von Autobahnen bei der Auswahl des Querschnitts geprüft werden soll, ob die konsequente Beibehaltung eines Regelquerschnitts nicht zu unverhältnismäßig starken Eingriffen in das Umfeld der Straße (Bebauung, Landschaft, Natur usw.) führt. Gegebenenfalls kann in derartigen Fällen eine Nutzung von Sonderquerschnitten oder schmaleren Querschnitten sinnvoll sein“. Laut Dr. Hunger sind „im Rahmen eines bestandsorientierten Ausbaus der Autobahntrasse zwischen Rosenheim und der bayerischen Landesgrenze verschiedene Lösungsansätze denkbar. Ziel sollte hierbei sein, einen Kompromiss zwischen der Leistungsfähigkeit des Autobahnabschnitts und dem Eingriff in den angrenzenden naturräumlichen und baulichen Bestand zu schaffen“.

Ein Maximalausbau würde in keinster Weise Rücksicht auf die einmalige Landschaft des Chiemgaus und Rupertigaus nehmen; er würde den Tourismus in unserer Gegend massiv schädigen. Mittelstreifenaufweitungen von bis zu 10 m würden zusätzlich eine gravierende Landschaftsveränderung und einen enormen Flächenverbrauch zur Folge haben.

Sehr geehrter Herr Dr. Haßheider, aus unserer Sicht wäre es auch im derzeitigen Planungsstadium noch problemlos möglich, eine 4+2-Alternativplanung für die A8-Ost zu beginnen. Dies würde einen effektiven Beitrag zur Zielsetzung des neuen BVWP leisten, „die Netzkapazität mit vergleichsweise geringem Finanzmitteleinsatz zu erhöhen“.

Wir als Bürgerinitiative werden die im BVWP 2015 avisierte verstärkte Bürgerbeteiligung noch intensiver als in den zurückliegenden Jahren wahrnehmen und nicht nachlassen, ein Umsteuern in die richtige Richtung zu fordern: eine Umkehr, bevor Baurecht geschaffen ist!

Mit freundlichen Grüßen

Marlis Neuhierl-Huber, 1. Vorsitzende "A8-Bürger-setzen-Grenzen e.V."

 

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