Public-Private-Partnerships – Sabotage an der Schuldenbremse

"Schon seit mehr als zehn Jahren propagieren Finanz- und Verkehrspolitiker aus Union, FDP und SPD solche sogenannten Public Private Partnerships (PPP) als bequeme Alternative zum direkten Bau und Betrieb von Bauten aller Art durch die öffentliche Hand. Aber bei keinem der vielen PPP-Projekte geht es um so viel Geld wie bei den bundeseigenen Autobahnen. Sechs Abschnitte, jeweils zwischen 44 und 72 Kilometer lang, mit einem Konzessionswert von mehr als fünf Milliarden Euro sind bereits von privaten Baukonsortien unter Führung der Konzerne Bilfinger, Strabag, Hochtief und der französischen Vinci ausgebaut und für drei Jahrzehnte in deren Regie übertragen worden (siehe Karte). Sechs weitere Projekte in der gleichen Größenordnung sind fest eingeplant, und noch viele sollen folgen.

Rechnungshof hat massive Einwände

Die Idee hinter dieser Teilprivatisierung folgt einer einfachen Logik. Indem der Staat Bau und Betrieb der Fernstraßen für 30 Jahre an private Unternehmen vergibt und ihnen im Gegenzug die dort anfallenden Einnahmen aus der Lkw-Maut überlässt oder vergleichbare Zahlungen leistet, übernehmen die privaten Betreiber auch alle Risiken, die damit verbunden sind. Wenn die Kosten für Bau und Erhalt der Fahrbahnen höher oder die Mauteinnahmen niedriger ausfallen als geplant, soll das für die Staatskasse ohne Belang sein. Und weil die Unternehmen die Folgen möglicher Baumängel selbst tragen müssen, haben sie einen hohen Anreiz, höchste Qualität zu liefern. Das klingt, gerade in Zeiten, da der Staat als Baumeister auf allen Großbaustellen versagt, zunächst überzeugend.

Aber so einleuchtend das Konzept scheint, so umstritten ist es auch. Vor allem die Experten des Bundesrechnungshofes erheben seit Jahren massive Einwände gegen das PPP-Prinzip im Autobahnbau. Schon 2009, nach Prüfung der vier Projekte der „ersten Staffel“, kam Rechnungshofpräsident Dieter Engels zu einem vernichtenden Ergebnis. Demnach ergebe sich „für den Bund ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden“ und es bestünden „grundsätzliche Zweifel“, „ob mit den“ – im Ministerialjargon sogenannten – „A-Modellen wirtschaftliche Vorteile erreicht werden können“. Auch in den Prüfberichten zu den Einzelprojekten machten die amtlichen Kontrolleure immer wieder große Nachteile für die Staatskasse aus. Zuletzt erklärten die Bundesprüfer bei einer Anhörung des Bundestages im Oktober, „die bisherigen Erfahrungen“ würden die von ihnen „aufgezeigten Risiken bestätigen“.

Merkwürdig: Verkehrsminister Peter Ramsauer und die meisten seiner Länderkollegen halten unbeirrt von der amtlichen Kritik an dem Programm fest. Die Privaten seien effizienter als die Verwaltung und daher billiger, erklärte Ramsauer schon im Jahr 2010, da sei er eben „anderer Meinung als der Bundesrechnungshof“. Und dabei bleibt er bis heute. Dass er mit dieser lässigen Ignoranz gegenüber den Prüfern durchkommt, hat einen einfachen Grund: Ramsauers Ministerium verweigert Parlamentariern und unabhängigen Wissenschaftlern den Zugang zu all jenen Dokumenten, welche die Überlegenheit der privaten Betreiber belegen sollen. Geheim sind nicht nur die Verträge mit den Baukonzernen wegen deren „schutzwürdiger Interessen“, wie Ramsauer es ausdrückt. Geheim sind sogar die vom Haushaltsrecht vorgeschriebenen „Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“, mit denen das Ministerium vor jeder Ausschreibung nachweisen muss, dass der konventionelle Einkauf von Bauleistungen und der Betrieb durch die staatlichen Autobahnmeistereien teurer ist als die Vergabe an die privaten Konsortien. Diese Geheimhaltung sei notwendig, weil sonst die „Bieter“ bei den Ausschreibungen für die Autobahnstrecken „Rückschlüsse auf wettbewerbsrelevante Daten der öffentlichen Hand“ ziehen könnten, erklärte Ramsauers Staatssekretär Jan Mücke im Dezember auf Anfrage des SPD-Abgeordneten Michael Groß.

Regierung folgt griechischem Ansatz

Warum also ziehen Ramsauer und seine Länderkollegen das PPP-Programm für Deutschlands Autobahnen trotzdem so eisern durch? Die Antwort ist ebenso logisch wie banal: Weil sie damit weit mehr Autobahnbaustellen finanzieren können als auf konventionellem Weg. Denn der eigentliche Clou der „Partnerschaft“ mit Industrie und Banken ist, dass rein formal nicht der Staat die notwendigen Kredite aufnimmt, sondern die Bauunternehmen. Zwar geht die Bundeskasse de facto die gleichen Verpflichtungen ein wie bei der Kreditaufnahme. Schließlich muss sie die Baukonsortien 30 Jahre lang genauso bezahlen, wie auch eine Anleihe bedient werden muss. Doch selbst wenn das unterm Strich teurer wird, schlägt es sich eben nicht heute in der Schuldenstatistik nieder. Darum seien „die PPP-Projekte nichts anderes als eine versteckte Kreditaufnahme, mit der die Regierung genau die verfassungsrechtliche Schuldenbremse sabotiert, die sie ganz Europa verordnet hat“, zürnt der Grünen-Abgeordnete und Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter. „Anstatt für zwei Prozent Zins bei den Banken und Vermögenden“ verschulde sich die Regierung nun „für fünf Prozent Zins bei der Bauindustrie“, höhnt der streitbare Bayer. Und dafür würden „die Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit manipuliert, um den Anschein von Legalität zu erwecken.“

Alle unabhängigen Fachleute geben ihm Recht. Mit dem PPP-Ansatz werde „der Grundgedanke der Schuldenbremse umgangen“, konstatierte TU-Experte Beckers bei der Anhörung im Verkehrsausschuss. Dabei befinde sich Deutschland „in schlechter Gesellschaft“, weil gerade Europas Krisenländer eine solche „Vorfinanzierung mit PPP am intensivsten betrieben haben.“ Damit verfolge die Regierung „salopp gesagt die Anwendung des griechischen Ansatzes“ in der Infrastrukturfinanzierung. „Wir sehen sehr wohl das Risiko, dass PPP- Projekte verstärkt als alternative Finanzierungsmodelle eingesetzt werden könnten, um einen Verstoß gegen die neue Schuldenregel zu verhindern“, mahnt ebenso Rechnungshof-Chef Engels. Und genauso sieht es Holger Mühlenkamp, Professor an der Verwaltungs-Uni Speyer. Die Zahlungspflichten aus den PPP-Projekten „binden künftige Regierungen genauso wie neue Schulden“, warnt er. Daher sollten „Verpflichtungen aus PPP grundsätzlich in die Schuldenstatistik aufgenommen werden“, fordert der Verwaltungsexperte, um „diesen Fehlanreiz“ für die Politik zu beseitigen. Diesen Vorschlag hat die EU-Kommission jedoch bisher abgelehnt. Die Politik mache sich „ ihre Regeln eben selbst“, kommentiert Mühlenkamp resigniert.

Tatsächlich bestreitet Minister Ramsauer gar nicht, dass er das PPP-Programm schlicht als alternative Finanzquelle betreibt. So erklärte er etwa im vergangenen Oktober, dass sich „ohne die Hilfe privater Investoren der Ausbau der A1“ und anderer Strecken „um Jahre nach hinten geschoben“ hätte, weil in seinem Etat „schlicht nicht genug Geld da sei“. Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bode gab zu, der Ausbau der A7 könne nur über die PPP-Variante laufen, weil dem Bund ansonsten das Geld fehle.

Hier finden Sie den Artikel in ganzer Länge: http://www.tagesspiegel.de/politik/public-private-partnerships-sabotage-an-der-schuldenbremse/7621732.html

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