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Wieviel Autobahn braucht der Mensch?  Der Ausbau der A8 auf dem Prüfstand

Wieviel Autobahn braucht der Mensch?  Der Ausbau der A 8 auf dem Prüfstand               

von Petra Plützer und Marlis Neuhierl-Huber

Einleitung

Bis zur Grenzöffnung Richtung Osten und der damit einhergehenden Vollendung des europäischen Binnenmarktes befand sich die A 8-Ost in einer Art Dornröschenschlaf. Niemand interessierte sich für einen Autobahnabschnitt, der in Richtung Eisernen Vorhang führte. Dies änderte sich Anfang der 1990-ziger Jahre schnell. Die A 8-Ost rückte in den Focus wirtschaftlicher Interessen und ist nun auch Bestandteil des Transeuropäischen Verkehrsnetzes. Bereits im Bundesverkehrswegeplan 2003 wurde der sechsstreifige Maximalausbau dieses Autobahnabschnittes aufgeführt. Wohl unter Einfluss des „European Round Table of Industrialists“ (ERT) bestimmte die EU diese Verkehrsinfrastruktur ihre vorgeblichen Segnungen entfalten können.Wettbewerb und Wettbewerbsfähigkeit wurden zu angeblich alternativlosen Sachzwängen einer  entfesselten neoliberalen Wirtschaftspolitik. Obwohl das A 8-Ausbaugebiet im Geltungsbereich der Alpenkonvention liegt, die Bundesregierung bereits Anfang der 2000-Jahre eine Nachhaltigkeitsstrategie formulierte, obwohl  in Bayern ein „Bündnis zum Flächensparen“ existiert, einige Ausbauabschnitte durch das  Biosphärenregion  „Berchtesgadener Land“ führen, ist es politischer Wille, den Maximalausbau durchzusetzen. In diesem Spannungsfeld der Interessen befindet sich die Bürgerinitiative, die sich den Namen „Ausbau A 8 – Bürger setzen Grenzen“ gab.

Abb. 1: Übersichtskarte für den acht- bzw. sechsstreifigen Ausbau der BAB 8 München-Rosenheim-Salzburg (Stand: Bundesverkehrswegeplan 2003), Quelle: Autobahndirektion Südbayern

Verkehrsplanung gestern und heute

Die Autobahndirektion Südbayern wurde nach siebenjähriger Vorplanung am 01.09.1933 als Oberste Bauleitung für die neue sogenannte Kraftfahrbahn München bis zur Landesgrenze nach Österreich, Salzburg, eingerichtet. Im November 1933 wurde mit dem Bau der 126 Kilometer langen Autobahn A 8 nach Salzburg in München begonnen. Ihren Sinn und Zweck beschreibt der Autor Friedrich Doll in einer Ausgabe der Zeitschrift "Straßenbauer und Straßenbenutzer" 1935, dem Benutzer sollte sich die Schönheit der prächtigen Alpenlandschaft voll erschließen: „Die Führung der Autobahnstrecke in einer vielfach unerschlossenen Landschaft von überragender Schönheit verpflichtete uns Ingenieure dafür zu sorgen, dass die Autobahn nicht als grober Eingriff in die Natur erscheint, sondern sich vielmehr möglichst harmonisch in sie einfügt.“(1) So wurde die A 8-Ost auch verwirklicht, möglichst landschaftsschonend und ab Traunstein/Siegsdorf sogar nur noch mit einer Gesamtbreite von lediglich 17 Metern.

Abb. 2: Die A 8-Ost bei Anger, hier ist sie ca. 17 Meter breit. Ein sechsstreifiger Ausbau würde mehr als eine Verdoppelung der Fahrbahnbreite bedeuten. Die mindestens 36 Meter breite Trasse würde dann das  Landschaftsbild beherrschen. Quelle: EMOVIES24, Obing

Im Oktober 2007 verkündete der Bundestagsabgeordnete Dr. Peter Ramsauer, dass der Abschnitt der A 8 von Rosenheim bis zur bayerischen Landesgrenze 6-streifig ausgebaut werden soll. Eine Mammutplanung von mindestens 36 Metern Gesamtbreite mitten im Alpenvorland. Viele Menschen hatten die Bilder vor Augen, die sie sahen, wenn sie an der Baustelle für den 6-streifigen Ausbau der A 8 bei Augsburg vorbeifuhren, die die letzten Reste der alten Trasse von 1934 unter sich verschwinden ließ. Nicht die Sorge um Naturschönheiten steht heute im Vordergrund der Planung, sondern die reine Zweckmäßigkeit. Der Straßenverkehr soll rollen. Und das vor allem zügig. Und er soll wachsen, trotz Klimawandel. Ein Konflikt der Interessen, der im Streckenabschnitt zwischen Rosenheim und der Landesgrenze sinnbildlich wird. Denn die Trasse der alten „Panorama-Autobahn“ führt vorbei an den schönsten Flecken von Oberbayern. Zum Greifen nah sind die Segelschiffe auf dem Chiemsee für den vorbeibrausenden Autofahrer. Die Autobahn windet sich entlang der Voralpengipfel des Hochries, der Kampenwand und der Hochplatte. Einzigartig ist dieser Ausblick auf der Kuppe des Bernauer Berges, von München kommend, auf den darunterliegenden Chiemsee. 12 Orte und viele kleine Weiler liegen wie auf einer Perlschnur aufgereiht, unmittel-bar an der rund 60 Kilometer langen Strecke. Einige Orte, wie Frasdorf, Siegsdorf, Piding, Anger werden sogar von der Autobahn durchschnitten. 

Abb. 3: Der Abschnitt der A 8 zwischen der Anschlussstelle Felden und der Anschlussstelle Übersee verläuft am Südufer des Chiemsees. In einem 11 Kilometer langen Abschnitt wurden anfangs der 2000-er Jahre Standstreifenangebaut. Die Breite beträgt hier 28 Meter. So stellt sich die BI den Ausbau auf der gesamten Strecke von Rosenheim bis zur Bundesgrenze vor. Allerdings soll auch in diesem Bereich die Autobahn nochmals um zwei Fahrspuren verbreitert werden. Quelle: EMOVIES24, Obing

So saß der Schock auf die Nachricht des Ausbaus der A 8 bei nicht wenigen Bürgerinnen und Bürgern tief. 2008 gründete sich die Bürgerinitiative „Ausbau A 8 - Bürger setzen Grenzen e.V.“ Es fanden sich auf einen Schlag so viele Gleichgesinnte an einem Oktoberabend in Siegsdorf zusammen, dass man kurzfristig in den großen Veranstaltungssaal des Dorfes umziehen musste. Der Name der neuen Bürgerinitiative sollte eine deutliche Aussage darstellen: „Bürger setzen Grenzen“. Bürger setzen sich zur Wehr und treten ein für ihre Interessen. Seit ihrer Gründung sorgt die Bürgerinitiative bis heute dafür, dass das Thema den Menschen in der Region nicht aus dem Blick gerät. Und damit die drei betroffenen Landkreise bei ihrem Widerstand auch gut vernetzt bleiben, setzt sich die Vorstandschaft des Vereines aus Vertretern der Landkreise Rosenheim, Traunstein und dem Berchtesgadener Land zusammen. Mit Sachverstand und fundierten Argumenten hält sie den kritischen Widerstand gegen einen in ihren Augen überdimensionierten Autobahnausbau in Politik und Öffentlichkeit aufrecht. „4+2 = genug Autobahn.“ So lautet die Formel der Bürgerinitiative. Sie fordert einen Anbau von durchgehenden Standstreifen zur Erhöhung der Sicherheit bei Pannen und Unfällen und eine Gesamtsanierung, die angesichts der Schäden in der Trasse unstrittig allen Parteien, Gegnern wie Befürwortern des Gesamtausbaus, überfällig erscheint. Viele Brücken wurden in den letzten Jahren saniert, alle vierspurig, aber ohne den Anbau von Standstreifen zu berücksichtigen, wie die Bürgerinitiative bemängelt. Nur die Talbrücke bei Bergen wurde bislang neu, im politisch gewünschten maximalen Ausbaustandard, errichtet. Alle Mühe der Bürgerinitiative also umsonst? Das letzte Wort ist noch längst nicht gesprochen, sind die Vertreter der Initiative überzeugt, denn die Verkehrsprognosen rechtfertigen in keiner Weise eine so immense Verbreiterung der Autobahn. Stattdessen stehen bei den Planungsüberlegungen der Bürgerinitiative die Landschafts- und Umweltverträglichkeit im Vordergrund. Sie fordert einen Ausbau auf maximal 28 Meter. Und natürlich einen effektiven Lärmschutz für die lärmgeplagten Anwohner. Denn die Zeiten sind vorbei, die ein Bürger von Siegsdorf-Schweinbach schildert, in der seine Eltern in den 40er Jahren beim gemütlichen nachmittäglichen Kaffee trinken den ab und zu vorbeifahrenden Autos auf der neuen Trasse der Autobahn Zaun an Zaun zuschauten. Allerdings gibt es in der bundesdeutschen Lärmschutzgesetzgebung eine spitzfindige Besonderheit. Lärmschutz im Sinne der Lärmvorsorge, mit ihren niedrigeren Grenzwerten, muss „auf eine Steigerung der verkehrlichen Leistungsfähigkeit abzielen.“(2) Die Behörden vertreten folglich die Auffassung, dass nur der sechsstreifige Maximalausbau Lärmschutzmaßnahmen im Sinne der Gesetzgebung rechtfertigen kann. Bei einem Anbau von Standstreifen würden lediglich die Bestimmungen zur sogenannten Lärmsanierung mit höheren Auslösewerten für Lärmschutzmaßnahmen greifen. Doch nach Ansicht der Bürgerinitiative darf das Recht auf Gesundheit nicht von der Ausbaubreite einer Straße abhängen. Hier wird ihrer Meinung nach gegen das Grundgesetz mit seinem Gleichheitsgrundsatz verstoßen.    

Abb. 4: Anschlussstelle Siegsdorf/Schweinbach. Die Autobahn durchschneidet die Gemeinde Siegsdorf. Gut sichtbar sind hier die Einschleifspuren zur Autobahn. Bei einem sechsstreifigen Ausbau würden diese, wie auchalle anderen Anschlussstellen, unvorstellbare Ausmaße annehmen und massive Flächenverluste zur Folge haben. Quelle: EMOVIES24,Obing

Die Position der Bürgerinitiative: Auf Augenhöhe mit den Fachleuten„Ausbau A8 - Bürger setzen Grenzen e.V.“ ist heute ein überparteilicher und gemeinnütziger Verein, der sich für einen die Landschaft schonenden Ausbau der Auto¬bahn A 8 zwischen Rosenheim und Piding (Bundesgrenze) einsetzt. Weil insgesamt drei Landkreise auf diesem Streckenabschnitt betroffen sind, setzt sich die Vorstandschaft des Vereines  aus  Vertretern des jeweiligen Landkreises  zusammen. Heute zählt der Verein knapp 200 Mitglieder. Nach Erfahrung der BI-Vertreter gibt es aber viel mehr passive Ausbaukritiker. Mindestens 36 Meter Autobahntrasse in ihrer Gesamtbreite, eine gigantische Autobahn würde alles, was uns hier etwas wert ist, zerstören, sind die Aktiven der Bürgerinitiative überzeugt. Menschen, unsere Lebensweise, die Landschaft, die Natur, die kleinstrukturierte Landwirtschaft, alles würde sich verändern. Längst sind sie Fachleute geworden in Sachen Verkehrsplanung. Baukosten, Trassenführung, Lärmentwicklung: Was kommt auf die Region zu, wenn der 6-streifige Ausbau der A 8 nicht verhindert wird? Die Bürgerinitiative hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Fragen immer wieder unermüdlich zu stellen. In aller Öffentlichkeit und an alle Verantwortliche. Die erste Demonstration im Jahr 2008 organisierte der damals neue Verein anlässlich der ersten A 8-Autobahnkonferenz in Traunstein, zu der der bayerische Innenminister Joachim Herrmann viele Lokalpolitiker eingeladen hatte, um sie entsprechend einzustimmen. Sichtlich beeindruckt, dass sich unüberhörbarer Widerstand gegen die 6+2 Ausbaupläne formiert hatte, wurde anschließend der „A 8-Planungsdialog“ ins Leben gerufen. Bislang einmalig in der Bundesrepublik sollten Bürgermeister, Vertreter der Wirtschaft, des Bund Naturschutzes und des Bauernverbandes unter Leitung der Autobahndirektion Südbayern gemeinsam über den Ausbau der A 8 diskutieren. Vertreter/-innen der Bürgerinitiative wurden zunächst nicht eingeladen. Jedoch konnte mit Hartnäckigkeit die Teilnahme durchgesetzt  und mit Sachwissen argumentiert werden. Einmal im Monat traf man sich nun eineinhalb Jahre lang in jedem der betroffenen Landkreise Rosenheim, Traunstein, Berchtesgadener Land. Doch schon bald wurde deutlich, dass es den Planern nicht um einen ehrlichen Kosten-Nutzen-Vergleich der beiden Trassenvorschläge eines sechs- oder vierstreifigen Ausbaus ging. Ihr Ziel war und ist es vielmehr bis heute, die Akzeptanz der Bürger für einen Maximalausbau zu gewinnen. Ein wichtiges Argument, das vor allem die Ausbaubefürworter gerne publikumswirksam nutzen möchten, sind dabei die Verkehrsprognosen. Denn wer steht schon gerne im Stau? 2009 bestellte die Autobahndirektion ein Gutachten. Für die Bürgerinitiative ist dessen Aufgabe nachgewiesenermaßen klar: Es soll den 6-streifigen Ausbau rechtfertigen. Die Bürgerinitiative sah sich die Zahlen genauer an, verglich die einzelnen Berechnungen und Zeiträume, entlarvte geschickt versteckte Widersprüche. Sie kam letztlich zu dem eindeutigen Ergebnis: Der Verkehrsgutachter Professor Harald Kurzak stellt fest, dass die Bedeutung der A 8-Ost für den Wirtschaftsverkehr nicht besonders hoch ist und sie hauptsächlich eine Ferienreiseautobahn ist mit der Hauptbelastung in den Sommermonaten. (3) 36 Meter Autobahn für ein paar wenige Wochenenden? Die BI beruft sich dabei vor allem auf die faktischen Verkehrszahlen. Während eine Autobahn in Ballungsgebieten wie Würzburg täglich 110.000 Autos zu verkraften hat, sind es im Berchtesgadener Land gerade rund 45.000 am Tag, wobei die Kapazität einer vierspurigen Autobahn mit Standstreifen bei ca. 70.000 Fahrzeugen liegt. Dazu hat die Bürgerinitiative noch ein ganz einfaches Rezept gegen Staugefahr auf Lager: Sie fordert für ihren Streckenabschnitt ein Tempolimit auf 120 km/h. Solch ein Tempolimit erhöht die Gesamtverkehrsleistung einer Strecke – und reduziert gleichzeitig auch noch gesundheitsschädliche Immissionen. Zusammen mit dem Bund Naturschutz und dem Landesbund für Vogelschutz veranlasste die BI 2016 die Aktualisierung eines Verkehrsgutachtens für die Entwicklung auf der A 8. Das Fazit des Verkehrsexperten Dr. Ditmar Hunger: „Warum soll nicht, wie  inzwischen bei Stadtstraßen wieder üblich, eine gute Straßenraumgestaltung auch bei einer Autobahn – hier jedoch noch stärker auf den Landschaftsraum ausgerichtet – als anzustrebendes Ziel gelten? Dies vor allem deshalb, weil die Bundesautobahn A 8 neben ihrer reinen Verbindungsfunktion für den Tagesverkehr insbesondere auch eine für den Tourismus bedeutende Trasse darstellt, die in ihrem Streckenverlauf wesentliche touristische Ziele und Sehenswürdigkeiten der Region Südostoberbayern tangiert und somit hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nicht nur der Transport von Gütern bzw. die Beförderung von Verkehrsteilnehmern im Mittelpunkt stehen sollte. Falls trotz der vorliegenden Einschätzungen ein durchgängig 6-streifiger Ausbau für den gesamten Autobahnabschnitt der A 8 von Rosenheim bis Bundesgrenze vorgenommen werden sollte, liegt eindeutig eine Überdimensionierung und somit ein ungerechtfertigter Kosteneinsatz vor.“(4)

Im Juli 2016 wurde der neue Entwurf zum Bundesverkehrswegeplan veröffentlicht. Darin befindet sich jetzt der geplante Bauabschnitt der A8 von Rosenheim bis zur Ausfahrt Traunstein/Siegsdorf in der Kategorie “Vordringlicher Bedarf mit Engpass-Beseitigung (VB-E)“; der Abschnitt ab Traunstein/Siegsdorf bis zur Bundesgrenze im sogenannten “Weiteren Bedarf mit Planungsrecht“. Diese beiden Teilbereiche wurden im aktuellen Projektdossier zum Bundesverkehrswegeplan-Entwurf allerdings mit dem Abschnitt vom Autobahnkreuz München-Süd bis zum Inntaldreieck zu einem Projekt zusammengefasst. Hier fährt man bereits auf sechs Spuren, jetzt soll auf acht Streifen ausgebaut werden. Der Grund dieser Zusammenfassung aller drei Bereiche liegt für die BI klar auf der Hand: Nur so wird das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von 1 übersprungen. Ein NKV von1 ist aber notwendig, um überhaupt bauen zu dürfen. Das auf diese Art und Weise herbeigetrickste NKV beträgt aber auch jetzt nur 1,2. Das bedeutet, dass nur über die höheren Verkehrszahlen von München-Süd bis zum Inntal auch bei uns die Bauwürdigkeit knapp „herbeigeschwindelt“ wurde. Würden die beiden Abschnitte von Rosenheim bis zur Bundesgrenze isoliert berechnet, dürfte nicht gebaut werden, lautet das Fazit der Bürgerinitiative.

Öffentlichkeitsarbeit für alle Bürgerinnen und Bürger: Aufklärung durch Fakten statt politischer Populismus Podiumsdiskussionen, Leserbriefe, Briefe an Abgeordnete, eine Sonderausgabe der örtlichen Bürgerzeitung zum Thema Ausbau der A 8 – unermüdlich bleibt die Bürgerinitiative „Bürger setzen Grenzen“ am Ball, wenn es darum geht, die Bevölkerung kritisch zu informieren. Denn nicht nur mit Zahlen wird gerne jongliert, wenn es Befürwortern darum geht, die Öffentlichkeit für das große Ausbauprojekt der Autobahn zu begeistern. Auch Versprechungen gibt es natürlich. Doch werden sie auch eingehalten, wenn sie im Zweifelsfalle viel Geld kosten würden? „Das bittere Erwachen von Achenmühle“ titelte der Verein „A 8 – Bürger setzen Grenzen“ in einer Sonderausgabe der Bürgerzeitung „Gradraus“ im April 2016.  Eine Bürgerinitiative hatte sich in Achenmühle bei Rosenheim für den 6-streifigen Ausbau eingesetzt, denn sie glaubten den Beteuerungen der Regierung, dass nur so ein optimaler Lärmschutz garantiert sei. Die BI musste erfahren, dass das Thema Lärmschutz  sich offenbar hervorragend dazu eignet, dass Menschen bereit sind, einen überdimensionierten und überflüssigen Ausbau zu akzeptieren. „Teile und herrsche“, diese Strategie wird immer gerne angewandt  um Bürgerbewegungen zu spalten und damit zu schwächen. Aber: minimal statt optimal - das ist  das ernüchternde Ergebnis im Planfeststellungsverfahren für Achenmühle. Knappe 1,5 Kilometer Einhausung forderte die Bürgerinitiative Rohrdorf-Achenmühle. Im Planungsdialog, einberufen von der Autobahndirektion, sprach man immerhin noch von einer Galerie. Das jetzige Planfeststellungsverfahren bringt die traurige Realität an den Tag: 800 Meter Lärmschutzwand sind darin übriggeblieben. An diesem Beispiel wird deutlich: Die berechtigte Forderung der Anwohner nach Lärmschutz wird als Köder benutzt. Versprechungen im Vorfeld, vor allem, was Einhausungen betrifft, bleiben in aller Regel leer. Denn das Ergebnis im Planfeststellungsverfahren schafft letztlich die Fakten der konkreten Bauplanung.Vielen Lärmgeplagten ist jedoch nicht bewusst, dass die Lärmberechnungen mit einer PKW-Geschwindigkeit von 130 km/h  erfolgen. Dr. Hunger kommt deshalb in seinem A 8-Gutachten von 2016 zu folgendem Schluss: „Durch den 6-streifigen Ausbauquerschnitt werden sich i. d. R. noch höhere Schallimmissionsbelastungen ergeben als bei einem 4-streifigen Ausbauquerschnitt, was nicht zuletzt auf die Freigabe der Geschwindigkeiten zurückzuführen ist“. Denn „die real gefahrenen Geschwindigkeiten auf „freigegebenen“ Autobahnabschnitten liegen meist  deutlich höher als die vorgegebenen Höchst- bzw. Richtwerte“. (5)

Fazit

Der neue Bundesverkehrswegeplan möchte sich zukunftsorientiert und modern präsentieren. Doch für die Bürgerinitiative „A8 – Bürger setzen Grenzen“ ist er eine politische Bankrotterklärung. Eine Fortführung einer verfehlten Verkehrspolitik. „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“, betont und erläutert sie bei allen ihren Veröffentlichungen und Veranstaltungen. Der geplante Ausbau der A 8 als maßgebliches Beispiel für viele andere Bauprojekte? Was der engagierte Verein hier an politischem Kalkül entlarvt, kann sicher auch für andere betroffene Bürgerinnen und Bürger ein interessanter Hinweis sein. Da offensichtlich nur über Tricks der 6+2 Ausbau bei uns vor Ort gerechtfertigt werden kann, wird die Bürgerinitiative auch weiterhin versuchen, auf Entscheidungsträger Einfluss zu nehmen. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, sind die BI-Vertreter überzeugt. In ihren Augen atmet der gesamte Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030  den mutlosen Geist eines ewigen „Weiter so.“ Peak-Oil, Peak-Soil, Klimawandel, die Gefährdung der Artenvielfalt u.v.m. sind globale, die gesamte Menschheit bedrohende Entwicklungen. Ist bürgerschaftliches Engagement mehr gefragt denn je? Offizielle Bürgerbeteiligungen scheinen heute meist nur eine Feigenblattfunktion zu erfüllen. Bürger müssen deshalb Fachleute für ihre Sache werden, um nicht mehr hinzunehmenden Zuständen Grenzen zu setzen und um längst überfällige alternative Lösungen auf den Weg zu bringen.

Literatur:
(1) Friedrich Doll, www.ak 190x.de/Bauwerke/RAB/RAB-Muenchen-Landesgrenze.htm, 19.2.2005 – Auszüge aus der Zeitschrift „Straßenbauer und Straßenbenutzer“, 1935      
(2) Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes-VlärmSchR 97, Kapitel C VI. 10.1
(3) Prof. Dr.-Ing. Harald Kurzak , Verehrsuntersuchung A 8 München-Salzburg im Abschnitt Rosenheim-Bundesgrenze, Prognose 2030, München, Mai 2013, S. 20)
(4) Dr. Ditmar Hunger, Studie zum bestandsorientierten Ausbau der BAB A 8 Ost zwischen Rosenheim und der Landesgrenze, Dresden April 2016, S. 97
(5) Dr. Ditmar Hunger, Studie zum bestandsorientierten Ausbau der BAB A 8 Ost zwischen Rosenheim und der Landesgrenze, Dresden April 2016, S. 66



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